Kritik.de In der Medizin heißt es gerne: "Niemand muss heute noch Schmerzen
erleiden". Doch das ist in dieser Verallgemeinerung leider nicht
wirklich zutreffend, selbst wenn viele Ärzte, Psychologen und
Physiotherapeuten der Meinung sind, dass man sich nur auf ihre jeweils
bevorzugten Therapieansätze einlassen muss, um ausreichend Linderung zu
erfahren. Spezialisierte Therapeuten und
unkooperative Patienten Ein Schmerzmediziner wird Besserung häufig in den ihm vertrauten
Medikamenten und der richtigen Grundhaltung des Patienten sehen, ein
Neurochirurg nicht selten in der Implantation eines Neurostimulators,
ein Psychologe oft in der Aufarbeitung tiefsitzender
Konflikte und ein Physiotherapeut unter anderem in der Stimulierung von Druckpunkten
oder der Lösung von Blockaden. Bringt die Therapie nicht den gewünschten Erfolg, so wird oftmals nicht der
zu Grunde liegende Erklärungsansatz oder die Begrenztheit der Behandlung
hinterfragt. Stattdessen wird zumindest unterschwellig dem Patienten schnell
eine gewisse Mitschuld wegen fehlender Kooperation, falscher Einstellung oder
zu viel Beschäftigung mit dem eigenen Schmerz unterstellt. Diese häufige
Eindimensionalität des Denkens wird gerne verschleiert, wenn Therapeuten von
der sogenannten multimodalen Therapie sprechen. Multimodale Schmerztherapie und
Macht-Ungleichgewichte Die multimodale Therapie stellt prinzipiell die in einigen Fällen
durchaus sinnvolle, parallele Behandlung durch Schmerzmediziner, Psychologen
und Physiotherapeuten dar. Deren Zusammenwirken wird jedoch von diesen leider
oft auch dazu genutzt, um sich im eigenen Denken gegenseitig zu bestätigen
und sich gegen die Kritik von Patienten abzugrenzen. Durch ein
Ungleichgewicht von Macht zwischen Behandlern und
Patienten kann es dabei zu unausgesprochenen Konflikten kommen, die einer
Besserung im Wege stehen. Menschen, die an Schmerzen leiden, fühlen sich oft hilflos gegenüber
ihrer Umgebung, und manchmal auch speziell gegenüber jenen Menschen, die
ihnen als Therapeuten eigentlich helfen sollten. Man kann Schmerz nicht
sehen, wohl aber die Folgen des Schmerzes, vor allem die oftmals gedrückte
Stimmung. Diese Wahrnehmung führt bei eher unreflektierten und weniger
einfühlsamen Therapeuten nicht selten zu der fälschlichen Schlussfolgerung,
dass nicht der Schmerz, sondern die gedrückte Stimmung das eigentliche
Problem sei. Wirkung und Ursache werden verwechselt. Guter Schmerz und schlechte
Wahrnehmung Schmerz ist als Warnsignal für unseren Körper durchaus wichtig. Er hilft
uns, Gefahren zu vermeiden, die uns schaden können. Zu viel und vor allem zu
lange anhaltender Schmerz ist aber letztlich vergleichbar mit Folter, und
kann je nach Ausprägung massiv belastend und einschneidend sein. Er verändert
das Leben oft grundlegend, da er rasch das ganze Denken und Fühlen bestimmt.
Die Freude schwindet, die Energie für ganz alltägliche Dinge geht verloren,
die frühere Unbeschwertheit ist oftmals nicht mehr vorhanden. Könnte man Schmerz alleine durch eine richtige innere Einstellung
neutralisieren, so würde dieser seinen Warncharakter verlieren, da wir ihn
dann einfach ignorieren könnten. Es ist folglich nur selten so, dass bei der
Schmerzbehandlung auf Medikamente oder äußerliche Anwendungen verzichtet
werden kann. Viele Nebenwirkungen und wenig
Ressourcen Es gibt durchaus viele gut wirksame Medikamente, die helfen, Schmerz
besser erträglich zu machen. Was jedoch oftmals von Therapeuten und der
Pharmaindustrie verdrängt wird, ist, dass viele dieser Medikamente häufig so
starke Nebenwirkungen haben, dass eine Teilnahme am täglichen Leben, zuvor
schon durch die Schmerzen mehr oder weniger stark beeinträchtigt, nun durch
die Nebenwirkungen der Medikamente deutlich erschwert wird. Vor allem
Konzentrationsstörungen, Müdigkeit und Benommenheit sind oft ständige
Begleiter bei der Medikamenteneinnahme, und führen zu massiven
Beeinträchtigungen im beruflichen wie privaten Bereich. Schmerz stellt eine starke, in vielen Fällen ständige psychische
Belastung dar. Durch die Unmöglichkeit, sich ausreichend zu regenerieren,
schwinden rasch die Ressourcen von Körper und Seele. Ob die verschiedenen
eingesetzten Therapien in ihrer Summe dabei als hilfreich erlebt werden, kann
ausschließlich der Patient, nicht aber der Therapeut entscheiden. Gleiche Heiler und verschiedene
Menschen Wo Menschen lange und viel leiden, bildet sich immer auch Verzweiflung.
Wo es Verzweiflung gibt, finden sich immer auch jene, die ein Geschäft mit
den Leidenden machen. Es gibt im Bereich der Schmerzbehandlung viele Angebote
von sich selbst hoch einschätzenden Heilern. Dieses können Ärzte,
Psychologen, Physiotherapeuten, Heilpraktiker und andere selbsternannte
Spezialisten sein, in Kliniken ebenso wie im niedergelassenen Bereich. Wer
heilt, hat Recht, aber mit einer Mischung aus verzerrter Selbstwahrnehmung
der Behandler und der raschen Abwendung Enttäuschter sind die Ergebnisse oft
längst nicht so eindeutig, wie behauptet. Es gibt viele Menschen, denen mit medikamentöser und nicht-medikamentöser
Schmerztherapie ausreichend und gut geholfen werden kann. Es gibt aber auch
etliche Menschen, die aus diesem Raster herausfallen, selbst wenn die
Zusammenhänge greifbar erscheinen: Ohne Medikamente ist wegen der Schmerzen
an ein normales Leben nicht zu denken, mit Schmerzmitteln aber auch nicht, da
nun die Nebenwirkungen den Alltag bestimmen. Eigene Freude und Mitgefühl der
Anderen Jedem kann sicherlich immer irgendwie geholfen werden. Ob dieses aber
ausreicht, um ein als glücklich und befriedigend wahrgenommenes Leben führen
zu können, ist etwas ganz anderes. Man würde sich wünschen, dass deutlich
mehr Schmerzmediziner, Psychologen und Physiotherapeuten diese einfachen
Zusammenhänge verstehen und akzeptieren könnten. Denn man vermag Menschen auch und gerade dann zu helfen, wenn man als
Behandler seine eigenen Grenzen erkennt, und zugleich jenen, denen man helfen
möchte, ihre eigene, intuitiv oft völlig richtige Wahrnehmung ganz einfach
zugesteht, und vor allem eines aufbringt: Verständnis. Über mich: Ich bin im Gesundheitswesen tätig, und ich kenne Schmerzen
besser, als mir lieb ist. Schreiben Sie mir gerne Ihre Erfahrungen: mail (an) schmerztherapie-kritik.de private seite, kein beratungs- oder behandlungsangebot
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